Eine Handreichung zur diversitätsbewussten Pädagogik

2.3.2 Rassismus

Rassismus ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, angenommenen Herkunft oder (auch zugeschriebenen) kulturellen, ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. Menschen werden als vermeintlich homogene Gruppen konstruiert, abgewertet und ausgegrenzt. Es gibt unterschiedliche Formen von Rassismus (vgl. Mediendienst Integration 2019):

  • Der „klassische“ oder biologische Rassismus beruht auf der Ideologie, dass es unterschiedliche “Menschenrassen” gäbe sowie auf weißer Vorherrschaftsideologie. Menschen mit weißer Hautfarbe und europäischen Vorfahren werden als überlegen konstruiert und alle nicht-weißen Menschen als unterlegen und minderwertig (vgl. Auma/bpb.de, 2017). Der biologische Rassismus wurde nach dem deutschen Nationalismus mit seinen Rassenideologien zunehmend in kulturellen Rassismus verändert, da das Wort “Rasse” nach dem deutschen Nationalsozialismus nicht mehr in der Bevölkerungsmehrheit salonfähig ist.
  • Es wird gegenwärtig zunehmend von kulturellem Rassismus gesprochen, wenn Menschen nicht mehr aufgrund vermeintlicher unterschiedlichen “Rassen” als minderwertig deklariert werden, sondern qua konstruierter “Kultur” , “Ethnie” oder “Religion”. Es werden auch hier vermeintlich homogene Gruppe konstruiert, z.B. „Muslim*innen“ oder „Sinti*zze und Rom*nja“, und als minderwertig zur Dominanzkultur sowie “nicht-integrierbar” konstruiert.
  • Institutioneller Rassismus liegt vor, wenn rassistische Denk- und Handlungsweisen nicht auf persönlichen Einstellungen von Menschen beruhen, sondern diese im gesellschaftlichen Regelwerk verankert sind, wie z.B. im Bildungssystem, auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt.

Als rassistisch bezeichnet werden oft nur rechtsextreme Gewalttaten bzw. körperliche Gewalttaten, die rassistisch motiviert sind. Es handelt sich aber um Rassismus, wenn z.B. eine Person of Color oder Person mit nicht deutschem Namen nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, trotz gleicher Qualifikation wie vergleichbare weiße Bewerber*innen bzw. jene mit deutschem Namen. Oder wenn Schwarze Menschen ohne expliziten Grund von der Polizei kontrolliert werden. Beim sogenannten „racial profiling“, werden Personen nur aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale als Verdächtige behandelt und kriminelles Handeln unterstellt, was unter strukturellen Rassismus fällt. Kultureller Rassismus liegt vor, wenn pauschal unterstellt wird, dass eine Frau mit Kopftuch zu Hause patriarchal unterdrückt wird vom Ehemann oder Vater, und bei einer Frau ohne Kopftuch unterstellt wird diese sei in Deutschland gleichberechtigt und nicht von Sexismus betroffen. Rassistisches Denken und Verhalten findet sich also in der Mitte der Gesellschaft. Direkte und indirekte rassistische Ideologien, Zuschreibungen und Fremdmarkierungen sind Teil der weißen Dominanzkultur, werden medial konstant reproduziert und spiegeln sich auch unbewusst in alltäglichen Denk- und Handlungsweisen wider. So finden sich Rassismen in Kinderliedern, in Kochbüchern, in Witzen und der Sprache. Zum Beispiel sind viele Begriffe, die mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden, mit dem Wort „schwarz” markiert, z.B. „Schwarzmarkt”, „Schwarzarbeit”, „Schwarzfahren” oder das sogenannte Kinderspiel „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann” (vgl. IDA 2013).

Rassismen ermöglichen gegenwärtige ungleiche Machtverhältnisse innerhalb der EU, von der die weiße national ansässige Bevölkerung profitiert, Privilegien genießt und andere diskriminiert werden. Rassismen hängen vor allem mit gesellschaftlichen Vorstellungen und Handlungen zusammen, die als gegeben angenommen werden. So ist es „selbstverständlich“, dass „wir“ mehr Privilegien haben als „die Anderen“. Entweder bemerken wir das nicht oder halten es spontan für gerechtfertigt und verdient. Die Ausgrenzung „der Anderen“ löst in der Dominanzgruppe auch ein Gefühl der Zugehörigkeit aus (vgl. IDA 2013).

Rechtspopulismus

Viele Beispiele für Populismus liefert der Prototyp des politischen Rechtspopulismus, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Sie bekam bei der letzten Nationalratswahl 2017 26 % der Stimmen und führte in Koalition mit der Volkspartei knapp zwei Jahre das Land. Die FPÖ ist bekannt für ihre populistischen und islamfeindlichen Wahlkampfplakate, wie z.B. „Österreich den Österreichern“ oder „Daham (Dialekt für daheim, zuhause) statt Islam – Wir für euch“ (vgl. Pelinka/bpb.de, 2017).

Die FPÖ ist damit europaweit nicht allein. Der Front National in Frankreich, die AfD in Deutschland, die UKIP in Großbritannien, die PiS in Polen, Fidesz in Ungarn, die Lega Nord in Italien - es sind die Parteien der Rechtspopulist*innen, die aus den letzten nationalen Parlaments- und Europawahlen mit beachtlich wachsenden Wähler*innenzahlen hervorgingen. Wähler*innen der rechtspopulistischen Parteien sind laut Analysen vorwiegend weiße Männer aus bildungsfernen Schichten mit niedrigem Einkommen, aber auch die untere Mittelschicht, zum Teil auch die breitere Mittelschicht, ebenso wie die rassistisch geprägte alte Elite gehören zu den Wähler*innen (vgl. Decker & Lewandowsky/bpb.de, 2017). Es sind vorrangig jene, die von der Neoliberalisierung des Arbeitsmarktes, von Globalisierung und Digitalisierung sowie der Pluralisierung der Gesellschaft und ihren wirtschaftlichen und sozialen Veränderungsprozessen überfordert sind (ebd.).

Rechtspopulistische Parteien instrumentalisieren oft Angst und Unsicherheitsgefühle, die durch den Neoliberalismus und die Terrordiskurse seit dem 11.09.2001 geprägt sind. Die gemeinsamen Politiken zeichnen sich oft durch EU-Kritik oder Euroskepsis sowie Rufe nach Austritt, Abschottung und nationalen Alleingängen (siehe Brexit) aus. Die rechtspopulistischen Parteien erzielen gegenwärtig breite Bündnisse von unterschiedlichen rassistischen, rechtsextremistischen, nationalistischen, völkischen, rechtskonservativen und konservativen politischen Strömungen in der Gesellschaft.

Alle rechtspopulistischen Parteien konstruieren in unterschiedlichen Abstufungen ein vermeintlich homogenes „wir“ gegen die „Anderen“. Die “Anderen” sind die Schuldigen für das eigene Leid, i.d.R. Migrant*innen, Geflüchtete, Muslim*innen, Schwarze Menschen und Personen of Color, Sinti*zze und Rom*nja, oft auch Homosexuelle, Jüd*innen und Feminist*innen und Linke. In Osteuropa scheint das Feindbild etwas breiter gefasst, die Anfeindung aber teilweise aggressiver: Vom Hass betroffen sind neben Rom*nja vor allem Jüd*innen, andere ethnische Minderheiten und Homosexuelle. In Westeuropa gelten oft Muslim*innen und generell Menschen, die als “arabisch” fremdmarkiert werden, als zentrales Feindbild, gegen die - so die rechtspopulistische Rhetorik - das christliche Abendland verteidigt werden müsse (vgl. Schellenberg/bpb.de, 2018). Die Frage, was das christliche Abendland ist und durch welche Werte und Gemeinsamkeiten es sich vermeintlich auszeichnet, wird nicht gestellt. Auch deshalb nicht, da es hierfür keine einheitliche Antwort gibt, und demokratische europäische Nationalstaaten formell säkular, sprich unabhängig von Gott und der Kirche sind.

Rassismus in der EU

In der weiß-dominierten, westlich geprägten Europäischen Union sind es vor allem Schwarze Menschen, Menschen, die aufgrund von Äußerlichkeiten dem Islam zugeordnet werden, Jüd*innen und kulturelle Minderheiten, wie Rom*nja und Sinti*zze, die von Rassismus besonders betroffen sind.

Diskriminierungen und Gewalt gegenüber Schwarzen Menschen

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) veröffentlichte 2018 den Bericht „Being Black in the EU“ auf Grundlage einer Studie, in der europaweit 6.000 Schwarze Menschen über ihre Erfahrungen mit Rassismus befragt wurden. Quintessenz des Berichts ist, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe mit einer Vielzahl von Diskriminierungen im Alltag konfrontiert sind. So gaben 30 % der Befragten an, in den letzten fünf Jahren rassistisch belästigt worden zu sein, 5 % waren von körperlichen Angriffen betroffen.

Die drei größten Diskriminierungsbereiche des strukturellen Rassismus sind:

  • der Arbeitsmarkt (bei der Arbeit oder bei der Arbeitssuche)
  • die Wohnsituation
  • „racial profiling“ bei Polizeikontrollen

Besonders prekär ist dabei die Lage von jugendlichen Schwarzen Menschen am Arbeitsmarkt: In einigen EU-Ländern waren bis zu 76 % weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einer Ausbildung. Zum Vergleich traf dieser Sachverhalt nur auf 8 % der Gesamtbevölkerung zu (FRA, 2018).

Ähnlich ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt: 14 % der Befragten berichteten, keine Mietwohnung finden zu können. Wohneigentum besitzen nur 15 % der Schwarzen Menschen, gegenüber 70 % der Gesamtbevölkerung der EU. Außerdem gaben fast die Hälfte der Befragten an, in überbelegten Wohnungen zu leben. In Österreich und Italien ist die Wahrscheinlichkeit für Schwarze Menschen von Diskriminierungen am Wohnungsmarkt betroffen zu sein besonders hoch.

Auch „racial profiling“ ist Teil des strukturellen Rassismus. Ein Viertel der Befragten gaben an, in den letzten fünf Jahren von der Polizei kontrolliert worden zu sein. 41 % derjenigen, die kontrolliert wurden, bewerteten die Kontrollen als „racial profiling“ (vgl. FRA 2018).

Islamfeindlichkeit

Die Gruppe der Muslim*innen selbst ist von Heterogenität geprägt. Schätzungen zufolge leben rund 20 Millionen Muslim*innen in der EU, das sind rund vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten, rund 46 %, leben in Frankreich und Deutschland. Es gibt auch viele säkulare und nicht praktizierende Muslim*innen. Sie werden jedoch kaum wahrgenommen bzw. haben kaum Stimmen im nationalen Diskurs. Islamfeindlichkeit, oder auch Islamophobie bzw. antimuslimischer Rassismus genannt, ist eine Form des Rassismus, die sich auf Gewalttaten und Diskriminierungen von Muslim*innen und allen, die als solche wahrgenommen werden, bezieht. Den Menschen werden aufgrund äußerlicher Merkmale, wie das Tragen eines Kopftuches oder langen dunklen Barts, negative Stereotype, Gewalt, Terrorismus, Kriminalität, Sexismus etc. unterstellt (vgl. ENAR, 2019).

Muslim*innen sind die zweitgrößte religiöse Gruppe in der EU. Strukturelle Diskriminierungen von Muslim*innen oder Menschen, die als türkisch oder arabisch fremdmarkiert werden, finden in den unterschiedlichsten Bereichen statt, besonders bei:

  • der Arbeitsplatzsuche und der Arbeit selbst
  • der Wohnungssuche
  • dem Versuch, Zugang zu öffentlichen oder privaten Dienstleistungen zu erhalten

2016 führte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte bereits die zweite Erhebung zu Minderheiten und Diskriminierung durch (EU-MIDIS II) und befasst sich mit den Ansichten und Erfahrungen muslimischer Zuwander*innen der ersten und zweiten Generation der EU-15 (vgl. FRA, 2018, S.7). Die Ergebnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Jede*r dritte muslimische Befragte ist bei der Arbeitssuche diskriminiert worden, sprich ein Drittel der Muslim*innen erlebte Arbeitsmarktdiskriminierung. Jede*r vierte muslimische Befragte wurde aufgrund ihrer/seiner ethnischen Herkunft oder wegen Migrationshintergrund belästigt. Die Hälfte dieser Personen wurde im Jahr vor der Erhebung sechsmal oder häufiger belästigt. Jede*r dritte muslimische Befragte gab an, aufgrund des sichtbaren Tragens religiöser Symbole wie z. B. traditionelle oder religiöse Kleidung diskriminiert, belästigt oder von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Der Name, die Hautfarbe oder das Erscheinungsbild einer Person führte bei rund der Hälfte der Befragten bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche oder bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen zu Diskriminierung. Aber nur eine*r von zehn Muslim*innen zeigte Vorfälle von hassmotivierter Belästigung entweder bei der Polizei oder einer anderen Organisation an. (Vgl. ebd. S.11)

Antisemitismus

Auch zum Thema Antisemitismus veröffentlichte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2019 einen Bericht. Für die Erhebung wurden in zwölf EU-Mitgliedstaaten rund 16.500 Jüd*innen befragt. Ergebnis ist, dass auch fast 75 Jahre nach Ende des Holocaust der Hass gegen Jüd*innen im Alltag spürbar ist. Im deutschen Nationalsozialismus wurde ein Massenmord an den europäischen Jüd*innen und allen Menschen begannen, die nicht den NS-Ideologien entsprachen, also auch Menschen mit Behinderungen, Sinti*zze und Rom*nja, Homosexuelle, Oppositionelle, Intellektuelle und Künstler*innen etc.. Über sechs Millionen Menschen wurden ermordet.

85 % der 2019 Befragten gaben Antisemitismus und Rassismus als die drängendsten Probleme in den erfassten EU-Mitgliedstaaten an. Nach Meinung von fast 90 % der Befragten hat Antisemitismus in ihrem Wohnsitzland in den letzten fünf Jahren zugenommen, insbesondere Äußerungen im Internet sehen ein Großteil der Befragten als Problem. Die Mehrheit der Befragten (80 %) gibt das Internet als das Forum an, das am häufigsten für antisemitische Aussagen verwendet wird, gefolgt von anderen (offline) Medien (56 %) und bei politischen Veranstaltungen (48 %) (vgl. FRA, 2019, S.3). Zu den häufigsten antisemitischen Äußerungen zählen Sätze wie: „Die Israelis verhalten sich gegenüber den Palästinensern wie Nazis“ (51 %), „Juden haben zu viel Macht“ (43 %) und „Juden nutzen die Holocaust-Opferrolle zu ihren eigenen Gunsten“ (35 %) (ebd.).

Ethnische Minderheiten: Sinti*zze und Rom*nja

Mit geschätzt 12 Millionen Menschen sind Sinti*zze und Rom*nja die größte ethnisch-kulturelle Minderheit in Europa. Aus Angst vor Diskriminierung geben viele Menschen bei Volkszählungen allerdings nicht an, welcher ethnischen Zugehörigkeit sie angehören (, da diese Listen z.B. im deutschen NS für Deportationen und Genozide genutzt wurden), sodass die genaue Zahl der Sinti*zze und Rom*nja nicht vollständig erhoben werden kann. Laut der Europäischen Agentur für Grundrechte sind Sinti*zze und Rom*nja die am stärksten von Diskriminierung betroffene Gruppe in Europa (vgl. Engbring-Romang, 2014/bpb.de).

Die Ursache darin liegt u.a. in der Geschichte. Die Textquellen über die Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja sind fast ausschließlich von Personen verfasst, die nicht Rom*nja oder Sinti*zze sind. Gründe gibt es dafür mehrere: zum einen ist Romanes, die Sprache der Sinti*zze und Rom*nja, eine mündliche Sprache und Erzählkunst hat bei der Volksgruppe einen hohen Stellenwert. Auch wird sie als Sprache offiziell kaum anerkannt. Zum anderen sind Informationen und Abbildungen über Sinti*zze und Rom*nja von strukturellem und historisch verankertem Rassismus geprägt. So haben Ethnolog*innen und Soziolog*innen stets das rassistische Bild der Sinti*zze und Rom*nja geprägt. Auch wurden Aufzeichnungen der katholischen Kirche für die Deportation der Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus zu Grunde gelegt. Noch heute ist die Erinnerung an den nationalsozialistischen Völkermord, auch genannt Porrajmos, an geschätzt 500.000 Sinti*zze und Rom*nja von höchster Bedeutung und der Kampf um die staatliche Anerkennung und dieses kollektive Trauma geht weiter (vgl. Engbring-Romang, 2014/bpb.de).

Sinti*zze und Rom*nja haben ihren Ursprung im heutigen Indien und Pakistan. Sie kamen nicht wie irrtümlich angenommen aus eigener Motivation als fahrendes Volk nach Europa (rund 95% sind sesshaft), sondern wurden im 8. Jahrhundert durch Krieg, Verfolgung und aus wirtschaftlichen Gründen zur Emigration gedrängt und “wanderten seit dem 8. bis 10. Jahrhundert über Persien, Kleinasien oder den Kaukasus (Armenien), schließlich im 13. und 14. Jahrhundert über Griechenland und den Balkan nach Mittel-, West- und Nordeuropa; und von dort aus auch nach Amerika” (Engbring-Romang, 2014/bpb.de). Bei ihrer Ankunft in Europa wurden sie missverstanden als Pilger*innen. Sie bekamen von Königen Geleitbriefe und es wurde ihnen erlaubt, durch die Lande zu ziehen. Man dachte, sie würden wieder gehen, was aber nicht der Fall war. Nach und nach schlug das Wohlwollen in Fremdenfeindlichkeit um (vgl. Engbring-Romang, 2014/bpb.de). Sie arbeiteten als Leibeigene in Osteuropa und wurden in Mitteleuropa zu „Rechtlosen“ erklärt, sodass sie sich dem fahrenden Volk anschließen mussten. Auch die systematische rassistische Unterdrückung - deutlich auch in der oft alltäglich verwendeten rassistischen Bezeichnung “Zigeuner.” - kommt aus dieser Zeit und besteht bis heute fort.

Es gab vier größere Einwanderungswellen von Sinti*zze und Rom*nja nach Europa. Die erste im 15. Jahrhundert, dann in den 1960/70er-Jahren als Gastarbeiter*innen, dann in den 1990er-Jahren als Geflüchtete aufgrund des Zerfalls Jugoslawiens und 2004 im Rahmen der EU-Osterweiterung, als Binnenwandernde (vgl. Engbring-Romang, 2014/bpb.de).

Unter den Sinti*zze und Rom*nja herrscht eine große kulturelle Vielfalt, gemeinsam sind ihnen aber der Wert der Familie, der Respekt vor den Älteren, der Gebrauch der eigenen Sprache und das Bewusstsein der historischen und gegenwärtigen Diskriminierung. Eine eigene Religion haben sie nicht, unter den Sinti*zze und Rom*nja gibt es Mitglieder verschiedenster Religionen.

Antiziganismus wird der Rassismus, der Hass, die Ablehnung, Abwertung und die Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja bezeichnet. Antiziganismus ist bis heute eine in der Gesellschaft akzeptierte und als normal wahrgenommene Grundhaltung gegen Sinti*zze und Rom*nja, die sich in vielen rassistischen Zuschreibungen, Vorurteilen und Bildern ausdrückt. Dies führt zu struktureller und gesamtgesellschaftlicher Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja. Die Lage der Sinti*zze und Rom*nja ist europaweit weiterhin sehr prekär; sie sind verstärkt von Armut und sozialer Isolation betroffen. Strukturelle rassistische Diskriminierung in Schulen führt häufig dazu, dass Rom*nja- und Sinti*zze-Kinder öfter früher die Schule abbrechen. Das wiederum schränkt die beruflichen Möglichkeiten ein und führt eher zu Ausgrenzung. Auch der Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie zur Gesundheitsversorgung ist oft durch strukturellen Rassismus eingeschränkt.

1995 wurde das „Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats“ verabschiedet, das alle Mitgliedstaaten der EU außer Lettland ratifiziert haben. Die Lage der Sinti*zze und Rom*nja hat sich aber dennoch nicht verbessert (vgl. Engbring-Romang, 2014/bpb.de).