Eine Handreichung zur diversitätsbewussten Pädagogik

4.3.4 Obdachlosigkeit

Trotz der sozialen Absicherung der Länder stiegen die Zahlen der obdachlosen Personen in der EU stetig an. Ein Grund für diesen Anstieg stellt die Finanzkrise sowie Kürzungen von Sozialleistungen dar, in der viele Budgetkürzungen dazu geführt haben, dass die Kapazitäten der Sozialversicherungen geschrumpft und die Gelder für Prävention und Unterstützungsmaßnahmen weggebrochen sind (vgl. Europäische Union, 2015). Die generellen Unterschiede in Ausbau, Höhe und Länge der Sozialhilfe sind ebenfalls ein Grund für den Anstieg der Zahlen.

Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig. Auf struktureller Ebene sind Arbeitslosigkeit, Armut, das Fehlen von Sozialwohnungen oder hohe Mieten insbesondere in Großstädten angesiedelt. Persönliche Gründe variieren von Brüchen im Lebenslauf (z.B. Jobverlust, Trennung oder Tod), einem schlechten Gesundheitszustand und Krankheiten über familiäre Krisen bis zu hohen Schulden. Wenn eine Person einmal arbeitslos und obdachlos geworden ist, ist eine Veränderung der Situation oft schwer. Auch Diskriminierungen und die schon angesprochene fehlende Unterstützung durch den Staat können zu Obdachlosigkeit führen (vgl. Europäische Union, 2015).

Die Gruppe der Obdachlosen hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Neben generell steigenden Zahlen geraten vor allem auch junge Menschen und Kinder, Geflüchtete sowie benachteiligte Gruppen, wie beispielsweise die Rom*nja-Bevölkerung, in die Obdachlosigkeit. Gerade benachteiligte Gruppen, welche fest in einem Land leben, sind häufig von strukturellen Benachteiligungen auf dem Wohnungsmarkt, schlechten Wohnsituationen wie beispielsweise einer schlechten Qualität der Wohnhäuser oder der Nachbarschaften und einer erhöhten Obdachlosigkeit betroffen. Auch Frauen und Familien haben ein erhöhtes Risiko in Obdachlosigkeit zu geraten. Obdachlosigkeit wird laut der Europäischen Kommission in der Studie zu Mobilität, Migration und Armut aus dem Jahr 2014 in vier Bereiche unterteilt:

  • Menschen ohne Dach über dem Kopf, die auf der Straße oder in Notunterkünften leben. Dieser Bereich ist die extremste Variante von Obdachlosigkeit, da ein Verlust von Zuhause sowohl im physikalischen, als auch sozialen und legalen Sinn vorliegt.
  • Menschen, die zwar einen Platz zum Leben haben, aber in zeitlich begrenzten Unterkünften leben. Sie erfahren meist eine Exklusion auf sozialer und legaler Ebene.
  • Eine drohende Zwangsräumung oder das zeitliche begrenzte Wohnen bei Freund*innen oder Familie bezeichnet die Variante der unsicheren Wohnsituation.
  • Menschen, welche in minderwertigen, gesundheitsschädlichen oder überfüllten Wohnungen leben, gehören der Variante der unzureichenden Wohnsituation an.

Folgen der Obdachlosigkeit sind unter anderem in überfüllten Wohnungen zu leben bis zu einem Mangel an der grundlegenden Versorgung mit sauberem Wasser und Sanitäranlagen und damit stark erhöhten Gesundheitsrisiken. Auf persönlicher Ebene wirkt sich die Obdachlosigkeit negativ auf die physische und psychische Gesundheit der Personen aus, verstärkt werden die Gesundheitsrisiken noch durch einen schlechten Zugang zu medizinischer Versorgung. Obdachlose sind meist sozial ausgegrenzt und leben in Isolation. Sie sehen sich fast unüberwindbaren Barrieren bei der Suche nach Wohnungen oder Arbeitsplätzen gegenüber (vgl. Europäische Kommission, 2014). Kinder, die in Obdachlosigkeit aufwachsen, haben einen deutlich schlechteren Bildungs- und Gesundheitszustand, denn der Zugang zu Bildungseinrichtungen und ein passendes Lernumfeld sind nicht vorhanden. Auf legaler Ebene sind Obdachlose je nach ihrem legalen Status vom Arbeitsmarkt und dem Gesundheitssystem ausgeschlossen sowie vom Zugang zu Sozialhilfe und Sozialversicherungen als auch den sozialen und kulturellen Angeboten, denn oft müssen sie für Leistungsbezug einen Wohnort und eine Meldeadresse besitzen (vgl. Europäische Kommission, 2014).